Landwirte in der Zwickmühle

Wir im Naturschutz Aktive brauchen unsere Landwirte. Wieso? Ganz einfach: Ohne Landwirte, welche unsere offenen Landschaften nutzen und pflegen, würde Deutschland bewalden. Woran das liegt, habe ich im Artikel "Das Entweder / Oder in der Industriellen Landwirtschaft" bereits behandelt. Mangels großer Grasfresser in Deutschland brauchen wir ersatzweise die Rinder, Schweine, Kühe und anderen Nutztiere auf unseren Weiden. Was den Naturschutz angeht natürlich auf extensiv genutzten Flächen, nicht auf gedüngten vier mal im Jahr gemähten Flächen. Doch eine Kuh auf der Weide oder ein Landwirt, der seine Wiese mäht und das Mähgut für seine Tiere nutzt ist für unsere heimische Artenvielfalt erstmal eine gute Sache.

 

Kürzlich wurde sogar wissenschaftlich festgestellt, dass Kuhfladen auf Weiden eine entscheidende Bedeutung für viele Insekten haben, ebenso sind Misthaufen förderlich für einige Vogelarten.

 

Und dennoch argumentieren Naturschützer und Landwirte häufig gegeneinander, denn sie konkurrieren häufig um das selbe Stückchen Land und haben meist unterschiedliche Vorstellungen über die Nutzung und Formen der Bewirtschaftung. Mich hat als Naturschützer schon lange interessiert, wieso das eigentlich so ist, denn lange Zeit ging Naturschutz und Landwirtschaft ja Hand in Hand. Auf einer Veranstaltung zur "Zukunft der Schweinehaltung" habe ich nun interessante Einsichten erhalten, was die Position der Landwirte heute betrifft und wie die Zukunft aussehen könnte.

Die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft

Tierrechtler und Naturschützer haben – wenngleich immer wieder mit massiven Rückschritten zu kämpfen – in den vergangenen Jahren doch Teilerfolge verzeichnen können. So wird die artgerechte Tierhaltung in der Landwirtschaft immer stärker eingefordert und auch im Tierschutzgesetzt ist das Tierwohl fest verankert. So stellt eine konventionelle Schweinehaltung auf Beton-Vollspalten-Böden in vielen Fällen eigentlich laut Gesetzt eine Straftat dar, da bis zu 98% aller Ferkel die aus solch einer Haltung zum Schlachter kommen, Entzündungen und Fehlstellungen aufweisen. Diese sind zumeist auf Haltungsschäden zurück zu führen, begünstigt durch die Spaltenbodenhaltung.

 

Daher werden seit Jahren neue Stallanlagen mit Strohhaltung, die sog. "Strohschweine" gefördert. Diese Kategorie 3 Ställe sind im Vergleich zu Kategorie 1 Ställen mit Spaltenböden deutlich tierfreundlicher, da der natürliche Instinkt der Schweine, dem wühlen in der Erde zumindest soweit Rechnung getragen wird, dass sie im Stroh wühlen können. Auch steht den Tieren deutlich mehr Platz zur Verfügung. Die Ringelschwänze bleiben ebenso am Schwein. Soweit also aus Sicht des Tierschutzes eine erfreuliche Entwicklung.

 

Durch das erfolgreiche Volksbegehren "Rettet die Artenvielfalt" der ÖDP, des LBV und der Grünen in Bayern im vergangenen Jahr werden in 2020 auch vom Amt für Landwirtschaft neue Förderprogramme und neue Auflagen für die Landwirtschaft auf die Bauern zukommen. So etwa eine spätere Mahd von Wiesen oder breitere Randstreifen an Gewässern. Dies rettet zwar die Artenvielfalt noch in keiner Weise, doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung – aus Sicht des Naturschutzes zumindest.

 

Wie das Volksbegehren im vergangenen Jahr zeigte und andere Erfolge von Natur- und Tierschützern, werden also die Bedingungen für die Haltung von Tieren und die Praxis der Landwirte stark durch einen öffentlichen Diskurs und den Wunsch der Bevölkerung gesteuert bzw. zumindest beeinflusst.

 

Ja und was bedeutet das nun für die Landwirte? Einerseits natürlich einige neue Auflagen, die zu erfüllen nicht immer einfach sind. Hat man beispielsweise erst vor 15 Jahren in einen Spaltenboden-Stall investiert und ist dieser noch gar nicht ganz abbezahlt, muss dieser nun schon wieder umgebaut werden, um den neuesten Auflagen zu genügen. Ähnlich unter Druck geraten die Landwirte natürlich auch mit Auflagen zum Naturschutz. Da heißt es, einige Flächen intensiver zu nutzen oder irgendwie neue Flächen dazu pachten, da andere nicht mehr so intensiv und großflächig genutzt werden dürfen. Letztendlich muss sich die Arbeit für den Landwirt ja irgendwie auch rechnen.

 

Und hier kommt der eigentliche Skandal. Während die Chemie-Lobby und große Agrar-Maschinen-Hersteller auf die große EU Agrarpolitik einwirken, denen eher an intensiverer Landwirtschaft als an extensiverer Nutzung von Flächen gelegen ist, fordern Verbraucher, Naturschützer und Tierschutzverbände genau das Gegenteil. Beide Positionen bekommen auf unterschiedlichen Ebenen Recht – der Leid tragende ist am Ende häufig der Landwirt.

 

Ich persönlich kann Landwirte sehr gut verstehen, die sauer sind, weil sie ihre Produkte am Markt überhaupt nicht mehr absetzen können, während sie immer höhere Auflagen erfüllen müssen. Viele Landwirte tun gerne etwas fürs Tierwohl. Viele tun auch gerne etwas für den Naturschutz – als Menschen. Als Landwirte sind ihnen oftmals die Hände gebunden. Sie können beispielsweise gar nicht alle Auflagen erfüllen, um einen Stall-Neubau genehmigt zu bekommen oder alle Zuschüsse dafür. Vielleicht ist ihr Betrieb gar nicht weit genug außerhalb eines Ortes und ein Schweinestall kann gar nicht offen gebaut werden, wie es der Verbraucher gerne sehen würde, da die Belästigung durch Geruch zu hoch wäre. Also müsste der Landwirt einen geschlossenen Stall bauen mit Abluft-Filteranlage, etc. Das sieht jedoch der Verbraucher nicht gerne und daher gibt es dafür auch keine so hohe Förderung. Hier beißt sich die Sau also in ihren Ringelschwanz, wenn sie denn einen haben darf.

 

Auch wenn ein Landwirt gerne in Bioqualität für Bioland oder Demeter Schweine liefern würde erhält er nicht unbedingt den Zuschlag, da nicht genug Bioprodukte nachgefragt werden. Wie also sollen die Landwirte eine moderne Landwirtschaft welche den Wünschen der Bevölkerung gerecht wird bezahlen?

 

Die Landwirte sitzen also in der Klemme. Klar gibt es zum Glück Verbände wie den AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. http://www.abl-bayern.info/startseite/) welcher Landwirte unterstützt, die den nächsten Wachstumsschritt nicht vollziehen möchten und stattdessen Tier- und Naturverträglicher wirtschaften möchten. Es gibt Konzepte, welche es möglich machen. Ferienwohnungen zum Beispiel oder Biogas, vielleicht auch eine Photovoltaikanlage auf dem Acker. Aber – sind Landwirte nicht angetreten, Lebensmittel zu produzieren?

 

Jeder Landwirt, der heute entscheidet, zu investieren, kann nur in das investieren, was bereits heute gesetzlich gefordert ist und das, was vermutlich zukünftig durch gesellschaftlich Druck gefordert werden wird. Dies bedeutet aber im Zweifel enorme Mehrkosten und sogar im Unterhalt kostet eine artgerechte Tierhaltung und die Einhaltung der Naturschutz-Standards zum Teil vier mal so viel, wie eine konventionelle Haltung und Bewirtschaftung der Flächen. Doch in eine konventionelle Haltung und Bewirtschaftung zu investieren wäre reiner Irrsinn, denn das nächste Volksbegehren kommt bestimmt.

 

Wir Verbraucher fordern also eine idyllische Landwirtschaft. Wir fordern, dass der Gesetzgeber Subventionen dafür schafft, Berater den Landwirten helfen, die Richtlinien umzusetzen. Da stellt sich mir eine Frage: Was tun wir als Verbraucher, dass sich das auch rechnet?

 

Aus meiner Erfahrung häufig leider nichts oder das Falsche! Die Landwirte sitzen in einer Klemme, die von Verbrauchern ausgelöst und gelöst werden könnte – wenn sie bereit wären, den tatsächlichen Preis für Landwirtschaft mit Tierwohl und Umweltstandards zu bezahlen! Doch, was kommt beim Verbraucher denn für ein Bild von unserer Landwirtschaft an?

 

Das Bild der Landwirtschaft beim Verbraucher

Wenn ich mal meine Brille als Naturschützer abnehme und meine Brille als Verbraucher aufsetze, dann sehe ich in den Medien Tier-Qual-Ställe, ich höre von Nitratverunreinigungen im Grundwasser durch Landwirtschaft (was auch mitunter eine Ursache ist), ich höre von mit Soja gefütterten Hühnern und Rindern in Mastställen für die Regenwald geopfert wird und so weiter. Wenn ich ein modern und fortschrittlich denkender Mensch bin, dann kann ich nur zu dem einem Schluss kommen – genau: Übermäßiger Fleisch-Konsum ist erstens ungesund, zweitens klimaschädlich und drittens Tierquälerei! Fleisch essen ist also einfach unmoralisch und kann heute nicht mehr unterstützt werden. Das sind die einen, die denken so, wie ich bislang gedacht habe und hören ganz auf, Fleisch zu essen.

 

Und dann sind da noch die, welche sich das Fleisch essen auf keinen Fall verbieten lassen wollen. Doch, wie es den Tieren geht, ist häufig egal oder unbekannt. Günstig muss es sein. Das sagt ja auch die Werbung. Der Einzelhandel bietet es an, nein – er preist es an. Ein Kilogramm Rinderhack, EU-Bio: 2,99 €! Da muss man doch zulangen. Und wenn es so angeboten wird, ist das doch sicher auch in Ordnung. In Internet-Chats wird diskutiert ob der Preis von 8,– € das Kilo Rinderhack noch normal sei und geschimpft, die würden doch spinnen!

 

 

Tja – und nun bekommt der Bauer sein teures Fleisch, das diesen Preis hat, da es die aktuell von den Verbrauchern geforderten Standards erfüllt, nicht mehr los. Denn vielen Verbrauchern ist Naturschutz und Tierwohl wichtig, doch zahlen möchten sie dafür nicht oder sie essen gar kein Fleisch mehr. Der Staat hilft hier zum Teil aus. Gut für die Landwirte möchte man meinen, leider aber nicht nachhaltig. Denn welches Bild entsteht denn dadurch bei uns Verbrauchern? Genau! Wenn wir Glück haben sehen wir, den Tieren geht es besser und das Fleisch wird dadurch gar nicht teurer. Und wir denken dann: "Na also, geht doch!" Doch in Wirklichkeit geht es eben nicht! Wenn Landwirte ihre Erzeugnisse nicht mehr an die Frau und den Mann gekommen, ihr Aufwand nicht gedankt wird, dann kann ich es verstehen, wenn die Landwirte frustriert das Handtuch werfen! Das würde jeder von uns auch, wenn er jeden Tag neue Auflagen von seinem Chef erhielte, ohne am Ende des Monats sicher sein zu können, ob er auch seinen Lohn erhält und ein "nicht geschimpft ein genug gelobt" bedeuten würde. Wir würden kündigen.

Wir Verbraucher müssen's richten!

Und jetzt kommen wir Verbraucher ins Spiel! Auch mir war bis heute nicht bewusst, unter welchem Druck Landwirtschaft heute steht. Noch vor knapp 40 Jahren hat jeder Deutsche ca. 50% seines Einkommens für Lebensmittel ausgegeben. Heute sind es unter 10%. Dafür geben wir ca. 50% für unsere Mieten aus und mit Sicherheit für Luxusartikel wie Autos, Mobiltelefone und – derzeit der letzte Schrei – Fernreisen.

 

Damit sind auch die Veganer keine Rettung für Tiere in der Landwirtschaft. Denn viele Menschen, welche noch gerne Fleisch essen, sind nicht so bewusst im Konsum, wie Veganer. Günstiges Fleisch aus konventioneller "Produktion" ist für diese Menschen gerade recht. Damit gehen verantwortungsvolle Landwirte doppelt leer aus. Vegetarier und Veganer kaufen ihnen  gar nichts ab, Fleischfresser achten zumeist nicht auf Qualität. "Ja klar, sagen Sie jetzt: Es gibt auch die, welche darauf achten, das darf man nicht vergessen!" Das stimmt. die Slow-Food-Bewegung etwa unterstützt verantwortungsvolle Lebensmittelgewinnung und viele Menschen essen heute weniger Fleisch doch dafür qualitativ hochwertigeres, teureres Fleisch. Doch es reicht bei weitem nicht. Aktuell haben wir einen Anteil von etwa 1% - 3% nachhaltig wirtschaftender Betriebe in Deutschland. 30% sollen es nach Wunsch der Regierung (und der Verbraucher) bis 2030 mindestens werden! Wenn wir tierfreundliche und umweltfreundliche Landwirtschaft sehen wollen, müssen wir sie auch bezahlen.

 

Und nur letzterer Weg kann Landwirtschaft und Naturschutz in Einklang bringen. Sofern wir unsere Landwirtschaft zukünftig nicht rein aus Steuergeldern zum Erhalt der Artenvielfalt bezahlen, müssen wir Verbraucher den Preis für nachhaltig produzierte Lebensmittel bezahlen. Wir müssen lernen, die Arbeit der verantwortungsvollen Landwirte wert zu schätze und zu unterstützen!

 

Das können wir bei jedem Einkauf tun. Wir müssen dabei nur sicherstellen, dass das Fleisch aus verantwortungsvoller Erzeugung kommt. Also regional produziert wurde. "Weiderind" etwa oder "Strohschwein" wären zwei Begriffe, bei denen Sie davon ausgehen können, dass es den Tieren deutlich besser geht, als bei konventioneller Landwirtschaft und die Landwirte brauchen unsere Unterstützung! Wir können also im Einzelhandel nachfragen, diese Produkte einfordern und kaufen oder wir gehen direkt zu unserem Landwirt des Vertrauens, sofern er eine Direktvermarktung betreibt. So entsteht dann auch wieder mehr Dialog.

 

Doch auch Discounter, Supermärkte, Großküchen und Kantinen müssen in die Pflicht genommen werden! Gerade Supermarktketten sie sind häufig Preistreiber. Sie unterbieten sich regelmäßig gegenseitig und dem Verbraucher wird durch die Werbung suggeriert, auch ein günstiges Lebensmittel, ist ein gutes Lebensmittel. Es muss also Hand-in-Hand gehen. Nur wenn sich alle beteiligen, wird eine Agrarwende ohne Verlierer gelingen!

 

Erst, wenn die Landwirte sich moderne Arbeitsmethoden leisten können, können auch wir als Naturschützer davon ausgehen, dass wir Gehör finden und die Landwirte wieder für mehr Artenvielfalt sorgen. Erst, wenn wir Verbraucher ihnen die Ware, welche nachhaltig und möglichst im Einklang mit der Natur gewonnen wurde abkaufen, erst dann kann ein Miteinander entstehen und die Freude bei den Landwirten kann zurück kehren.

 

In diesem Sinne: Ehe wir wirklich wieder zu einer Landwirtschaft gelangen können, welche Artenvielfalt stärken kann und Biotope schaffen kann – müssen wir den Landwirten das schlichte Überleben nach den aktuell bereits geltenden Auflagen möglich machen. Ich werde also wohl von meinem Vegetarier-Dasein vielleicht doch an dem ein oder anderen Tag eine Ausnahme machen und Fleisch von regionalen Erzeugern kaufen, welche ihre Tiere auf Weiden halten, oder ihre Schweine in den Wald treiben. Denn dies stärkt beides nachweislich die Artenvielfalt und schützt somit die Natur. Und daran ist uns so gelegen, ja darauf sind wir Menschen sogar angewiesen, wenn wir dauerhaft überleben möchten.

 

Fleischfresser jedoch, welche die Billigangebote im Discounter nutzen, dürfen wir getrost von unseren Webergrills verweisen.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Laden Sie Ihre Freunde doch mal zu einem guten Stück Weiderind oder Strohschwein ein und erklären Sie Ihnen, wieso Sie damit die Landwirtschaft und den Naturschutz unterstützen.

 

In diese Sinne, einen guten Appetit!

Ihr, David Seifert

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Kommentare: 1
  • #1

    Corinna Hölzer (Donnerstag, 14 November 2019 09:35)

    Lieber David, sehr gut zusammengefasst und ja, wir alle müssen ab HEUTE v.a. mit dem HANDEL ins Gespräch kommen und uns über Billigangebote BESCHWEREN anstatt sie gierig zu nutzen. Einkäufer müssen spüren, dass ihre Art, die Landwirte auszuquetschen wie eine Zitrone und Ihnen zu wenig zu geben für ihre Produkte, nicht mehr gutiert wird vom Kunden.

    Danke für die Mühe, die du dir mit den Recherchen und der Aufbereitung deiner Texte machst, lieber David! Sehen wir uns beim Jahrestreffen der AbL? Wir sind vermutlich da...sind ja als Stiftung für Mensch und Umwelt dort Mitglied. Wir müssen es schaffen, möglichst viele Bauern zu überzeugen, dass die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ihre Interessen (und Naturschutzinteressen gleichermaßen) besser vertritt als der Bauernverband.

    Herzlichst, Corinna